Stolperstein für Herta Standke
Die nationalsozialistische Rassenideologie hatte nach dem Machtantritt Hitlers im Jahre 1933 sich die unfassbare Aufgabe gestellt, das jüdische Volk zu vernichten. Bis 1945 gelang es so, in Deutschland und in den während des Zweiten Weltkrieges von der deutschen Wehrmacht eroberten Ländern etwa sechs Millionen Juden (!) in den Tod zu schicken. Hinzu kamen auch antifaschistische Widerstandskämpfer aus allen Bevölkerungsschichten (besonders Kommunisten) und Homosexuelle sowie Kriminelle. Nicht zu vergessen auch die Vernichtungsaktion gegen die Volksgruppe der Sinti und Roma, der etwa 500.000 Menschen zum Opfer fielen.
Neben diesen Vernichtungsaktionen lief seit 1940 ein sogenanntes Euthanasie-Programm. Dabei ermordete das Hitler-Regime auf der Basis einer entmenschlichten Ideologie körperlich, geistig und seelisch behinderte Menschen, die man vorher in Krankenhäusern und Heilanstalten als „lebensunwert“ selektiert hatte. Eines dieser Opfer war Herta Standke. Sie wurde 1907 geboren und lebte zuletzt in Glienicke in der Nohlstraße 21. Wegen ihrer geistigen Behinderung wurde sie am 20. April 1944 in der „Heilanstalt“ Meseritz-Obrawalde (heute polnisches Staatsgebiet) im Alter von nur 36 Jahren ermordet. Ihr Tod wurde verschleiernd als „Herzschwäche“ und „Darmkatarrh“ protokolliert. Die gezielten Tötungen an diesen Menschen waren auch als „Aktion T 4“ bekannt, weil die Zentrale dieses Euthanasie-Programms in der Berliner Tiergartenstraße 4 ihren Sitz hatte.
Gedenkstätten, Dokumentationen, Kunst, Literatur, Rundfunk, Film und Fernsehen versuchen das Grausame als Anklage, Mahnung und Erinnerung immer wieder zu reflektieren.
Eine besondere Form sind in diesem Zusammenhang die sogenannten „Stolpersteine“. Der Künstler Gunter Demnig aus Köln entwickelte diese Idee im Jahre 1992. Am letzten Wohnort eines Opfers, sofern Name, Geburtsjahrgang, Todesort und -datum bekannt sind, kann ein solcher Stein verlegt werden. Diese Daten werden auf eine Messingplatte von etwa 10x10 cm eingeschlagen, mit einem Betonwürfel verbunden und an den entsprechenden Orten zu ebener Erde verlegt.
Gunter Demnig verlegte den Stolperstein in der Nohlstraße 21 am 24. September 2015. Stolpersteine werden auch im Ausland installiert und bilden mit bisher zehntausenden Exemplaren das größte dezentrale Mahnmal der Welt.
In unserem Heimatort entstand 2014 eine zeitweilige Arbeitsgruppe, die auf der Basis von Zeitzeugenaussagen, bisherigen Veröffentlichungen und umfangreichen neuen Recherchen in Frage kommende Opfer ermittelte. An drei Stellen konnte nun für sieben Menschen aus Glienicke die Erinnerung wieder erweckt werden … sieben von sechs Millionen.
Text und Bilder: Joachim Kullmann